Die Ärzteschaft gerät in der Patientenversorgung zunehmend unter Druck, ihr Handeln einer betriebswirtschaftlichen Nutzenoptimierung in Klinik und Praxis unterzuordnen.

Diese Entwicklung macht es notwendig, dem Ökonomisierungprozess eine auf ärztlicher Ethik und Werten beruhende Haltung im Arbeitsall-tag entgegenzustellen. Der Ärzte Codex soll Ärztinnen und Ärzten dabei helfen, die Auswirkun-gen von Ökonomisierung kritisch in ihrem persönlichen Arbeitsgebiet zu reflektieren und im Arbeitsalltag ihre ärztlichen Entscheidungen für die sich ihnen anvertrauenden Patienten zu treffen.
Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) nimmt mit der For-mulierung dieses Ärzte Codex ihre fachgesellschaftliche, ethische und soziale Verpflichtung wahr, ihren Lösungsbeitrag für eine am erkrank-ten Menschen orientierte Gesundheitsversorgung einzubringen. Ziel ist es, die besondere Verpflichtung als Ärzteschaft im Einklang mit ihren ethischen Werten erfüllen zu können und dem Vertrauen der Patienten gerecht zu werden. Auch soll Ärztinnen und Ärzten die Sicherheit ver-mittelt werden, dass sie mit ihrer sich an diesem Ärzte Codex orientie-renden Haltung nicht alleine stehen.
Ärztliche Pflicht ist es, die gesundheitliche Versorgung erkrankter Men-schen ohne Ansehen ihres Alters, Konfession, ethnischer Herkunft, Ge-schlecht, Staatsangehörigkeit, politischer Zugehörigkeit, sexueller Ori-entierung oder sozialer Stellung durchzuführen.
Es ist uns bewusst, dass unsere ärztlichen Entscheidungen durch nicht-medizinische Faktoren, insbesondere ökonomische Überlegungen und kommerzielle Anreize, beeinflusst werden können. Als verantwortlich handelnde Ärztinnen und Ärzte streben wir an, sol-che Situationen zu erkennen und unsere ärztlichen Entscheidungen stets zuerst am Wohl der uns anvertrauten Patienten auszurichten:
  • Als Ärztinnen und Ärzte müssen wir den berechtigten fachlichen und ethischen Erwartungen der erkrankten Menschen, ihrer Angehörigen und der Gesellschaft an uns gerecht werden.
  • Wir werden allen Patienten eine Versorgung unter Einsatz aller unse-rer Fachkompetenzen und aller ärztlichen Erfahrungen ermöglichen.
  • Wissend, dass unsere medizinischen Entscheidungen, die auf Basis ei-ner qualitätsgesicherten Medizin getroffen werden, große Auswirkun-gen auf die Heilung und Gesundheit der Patienten, aber auch

betriebswirtschaftliche Auswirkungen haben, erklären wir hiermit, dass wir eine angemessene und wirksame Versorgung der Patienten stets unter dem uneingeschränkten Vorrang der medizinischen Argu-mente gegenüber ökonomischen Überlegungen planen und durch-führen werden.


  • Wir treffen keine ärztlichen Entscheidungen und werden keine medi-zinischen Maßnahmen durchführen und solche Leistungen weglassen, welche aufgrund wirtschaftlicher Zielvorgaben und Überlegungen das Patientenwohl verletzen und dem Patienten Schaden zufügen könnten.
  • Wir werden den Menschen, die zu uns kommen, mit zugewandter Für-sorge begegnen und beistehen, mit ihren gesundheitlichen Ängsten umzugehen, wollen ihr Vertrauen gewinnen und werden ihnen verspre-chen, bei ihrer Behandlung keine medizinischen Leistungen durchzu-führen, welche fachlich unsinnig sind oder aus wirtschaftlichen Über-legungen heraus stattfinden sollen.
  • Wir lehnen alle Leistungs-, Finanz-, Ressourcen- und Verhaltensvorga-ben ab, welche für uns offensichtlich erkennbar zu einer Einschränkung unseres ärztlichen Handelns und unseres ärztlich-ethischen Selbstver-ständnisses führen und das Patientenwohl gefährden können.
  • Wir werden die von uns getroffenen Versorgungsentscheidungen bei Bedarf den zuständigen kaufmännischen Leitungsgremien, unter Ver-wendung fachlich-medizinischer, patientenorientierter und ethischer Argumente, erklären.
  • Wir ermutigen junge Ärztinnen und Ärzte, sich mit den durch die kauf-männischen Geschäftsleitungen vorgegebenen wirtschaftlichen Vor-gaben kritisch auseinanderzusetzen und achtsam zu sein bei allen Versuchen der Einschränkung des Patientenwohls aufgrund nichtme-dizinischer Aspekte.

Wir werden unsere ärztliche Heilkunst ausüben, ohne uns von wirt-schaftlichem Druck, finanziellen Anreizsystemen oder ökonomischen Drohungen dazu bewegen zu lassen, uns von unserer Berufsethik und den Geboten der Menschlichkeit abzuwenden.

www.dgim.de/aerzte-codex
Quelle: Deutsches Ärzteblatt | Jg. 114 | Heft 49 | 8. Dezember 2017
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